Wie geht’s dir?

Wir finden, diese Frage stellen wir viel zu selten. Und wenn wir sie selbst beantworten, dann meist viel zu oberflächlich oder unehrlich. „Gut, danke!“, hören wir uns oft sagen. Für diese Ausgabe wollten wir es von vier Ulmer:innen etwas ausführlicher wissen

Fotos: Markus Hummel
Text: Andrada Cretu

Dana Hoffmann, 38, Projektleiterin im Stadtjugendring und Moderatorin

Dana, wie geht es dir?

Mir geht es tatsächlich sehr gut. Ich bin ganz fein mit mir und meinem Leben, meinem Job und meiner Familie. Ich kann das nicht anders sagen, trotz allem.

Wie hast du für dich persönlich die letzten zweieinhalb Jahre empfunden? 

Ich will das nicht schön reden. Am Anfang war es schon ein Schock. Für mich war das Schlimmste und Einschneidendste die Schließung der Kindertageseinrichtungen. Da ging es aber nicht um mich, sondern ich habe gedacht „Wie sollen die Kinder das verkraften?“ Aber dann habe ich mich relativ schnell gefangen und habe einfach für mich beschlossen, mich auf meinen Wirkungskreis zu konzentrieren. Ich gucke, dass wir stabil sind, dass es uns als Familie gut geht, dass es meinen Freunden gut geht und alles andere habe ich einfach ein Stück weit ausgeblendet. Und ich glaube, das hat mir geholfen, dass ich gestärkt und positiv durch diese Zeit gekommen bin, trotz allen Tiefs, die es gab. Ich habe in dieser Zeit total zu mir selbst gefunden, vielleicht auch gezwungenermaßen, weil ich nicht mehr so viel unterwegs sein konnte, nicht viel Ablenkung hatte. Meine Freunde und Familie sind sehr zusammengerückt. 

Und ja, als der Krieg ausgebrochen ist, war ich schockiert. Aber dann bin ich ganz schnell ins Handeln gekommen und konnte ganz fokussiert, kurzfristig Hilfe leisten. Es war für mich eine krasse Erfahrung zu merken, dass ich das kann. Nicht ich alleine, aber dass es möglich ist, dass wir das schaffen können als Gesellschaft, aber auch in meinem Freundeskreis, so schnell etwas zu tun. Ohne die anderthalb Jahre vorher wäre das vielleicht gar nicht so gekommen. 

Was gibt dir Kraft und lässt dich positiv bleiben?

Meine Familie, das sind zum einen mein Mann und mein Sohn, und zum anderen meine Freunde, die für mich auch Familie sind. Die sind meine Basis und egal was passiert, ich falle immer weich und das gibt mir unheimlich viel Kraft und Energie. Aber es ist tatsächlich auch – und das ist privat und beruflich – dieses Sich-bewusst-machen „Was ist mein Wirkungskreis? Wo kann ich etwas tun?“ Natürlich, manchmal kommen diese Gedanken „Ich kann den Krieg nicht beenden. Ich kann die Klimakrise nicht stoppen.“ Aber das ist nicht meine Aufgabe. Ich kann in meinen Möglichkeiten, in meinem Rahmen schauen was mir möglich ist, ganz konkret. Wir haben zum Beispiel unser Auto verkauft, weil wir gesagt haben: „Wir sind nicht mehr Teil dieses Problems!“ Das ist das, was wir tun können und ich muss mich immer wieder darauf besinnen. Ich kriege diese Anfälle genauso wie jeder andere, aber ich kann mich zurückholen und das ist überlebenswichtig für mich. 

Wie blickst du in die Zukunft?

Das traue ich mich gar nicht zu sagen, aber ich freue mich total. Neben allen Angstanfällen, die ich auch habe, was die Zukunft betrifft. Mein Sohn ist fünf und ich denke manchmal, was das für eine Welt ist, in die er hineinleben wird. Aber umso wichtiger ist es, glaube ich, dass wir alle unsere Kinder so erziehen und bilden, dass sie die Welt besser machen. Das ist ein bisschen meine naive Vision. Für mich persönlich – ich bin Moderatorin und werde mich beruflich weiterbilden – freue ich mich einfach wahnsinnig auf die Zukunft, weil ich das Gefühl habe, ich bin jetzt 38 und ich weiß jetzt was ich werden will. Das ist auch ein Ergebnis der letzten zweieinhalb Jahre, dass ich das herausgefunden habe. Das ist so ein geiles Gefühl, dass ich das jetzt haben darf. Und deshalb freue ich mich mindestens auf die nächsten zwei Jahre, aber eigentlich auch darüber hinaus.
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Haris Papapostolou, 44, Weinprofi in der Vinothek am Michelsberg 

Haris, wie geht es dir?

An und für sich versuche ich immer positiv zu denken. Der Betrieb läuft immer noch sehr gut, aber du hörst auch jeden Tag die Nachrichten, die immer schlimmer werden und das ist natürlich etwas, das dich beeinflusst. Ich würde manchmal am liebsten gar keine Nachrichten mehr hören, aber ich habe für mich den Mittelweg gefunden, auf der einen Seite vorsichtig zu sein, was das Berufliche angeht und auch die Kunden darauf einzustimmen, dass nicht immer alles verfügbar ist. Und auf der anderen Seite, auch im Hinblick auf den Winter, das durchzuziehen, was wir geplant haben.

Ich glaube, uns geht es immer noch gut. 

Klar, es darf natürlich nicht alles um uns herum zusammenbrechen. Aber zumindest meine Umwelt ist auch positiv und das hebt die Stimmung. Wir müssen alle versuchen, uns positiv zu beeinflussen.

Wie hast du die letzten zweieinhalb Jahre persönlich erlebt?

Mental waren die letzten zweieinhalb Jahre schon anstrengend. Mal wird es besser, dann wieder schlechter. Letztendlich, wenn ich zurückblicke, würde ich mir das nie wieder wünschen. Vor allem auch im Hinblick auf Kinder. Die haben, glaube ich, am meisten darunter gelitten. Wir Erwachsene verarbeiten das auf eine gewisse Art. Es gab sogar tolle Momente, in denen man zur Ruhe gekommen ist, im Lockdown. Aber dann war da auch diese Ungewissheit. Ich bin eben abhängig von der Gastronomie. Ich will natürlich immer, dass es meinen Kunden gut geht. Und es war immer so ein mentales Auf und Ab. Und als dann das Licht am Ende des Tunnels da war, kommt dieser Krieg. Und dieser Krieg ist schlimmer als Corona. Also die Auswirkungen. Ich denke da nie immer nur an mich selbst, ich denke auch an meine Umwelt. Wir leben nicht auf einer Insel, sondern hängen alle miteinander zusammen und wenn es vielen schlecht geht, geht‘s mir auch schlecht und umgekehrt. Ich kann nicht sagen: „Hauptsache mir geht es gut, egal was da kommt.“ Es ist immer ein Miteinander und auch mit Geschäftspartnern ist man menschlich verbunden. Ich denke, es wird auch weiter schwierig bleiben, aber wir müssen das Beste daraus machen. Auch das Klima ist ein schwieriges Thema. Durch den Krieg leidet auch das Klima. Es gibt nur eine Erde und ein Leben und ich verstehe nicht, wieso das viele Menschen einfach kaputt machen. Durch den Krieg wird auch vieles hintenangestellt. Ich bin kein Pessimist, aber das wird schwierig mit dem Thema Klima. Klar stehe ich da manchmal morgens auf und denke „Was erwartet mich heute wieder? Am liebsten würde ich im Bett bleiben.“ Aber ich versuche auch immer zu denken, dass nebenan Krieg ist und ich frage mich, wie ich aus dem Bett raus komme. Also versuche ich, positiv zu bleiben.

Apropos positiv bleiben: In Zeiten, in denen dir alles zu viel wird, was sind für dich die Dinge, die trotzdem noch die Positiven sind und dich mental gesund bleiben lassen?

Meine Frau natürlich. Und auch meine Freunde. Ich glaube, es sollte jeder nette Freunde haben. Freunde, die einem auch in der Not helfen. Und Familie. Man weiß, man ist nicht alleine auf der Welt, wenn man eine Familie hat, die Trost spendet. Und ich glaube, der Mensch passt sich an viele Dinge an und versucht, trotz schlechtem Umfeld, zu leben. Das sieht man auch, glaube ich, in der Ukraine. Dass Leute trotzdem nicht einfach zu Hause bleiben und sich verschließen, sondern auch im Untergrund feiern. Kraft gibt mir aber auch, wenn ich schlimmere Situationen sehe und mir denke: „Ich kann laufen. Ich habe zwei Füße, zwei Hände, wohingegen manch anderer ganz andere Probleme hat.“ Ich war immer ein demütiger Mensch. Meine Frau und ich haben außerdem einen Hund, Emma. Emma ist blind geboren und freut sich einfach nur, wenn sie spielen kann! Manchmal wäre es sogar besser, weniger im Kopf zu haben.

Wie blickst du in die Zukunft?

Vorsichtig. Aber ich denke, viele Krisen bieten auch viele Möglichkeiten. Es ist nicht so, dass alles nur Schwarz oder Weiß ist. Man muss auch dazwischen gucken und ich bin trotz allem positiv. 

Ich denke, wir werden uns in vielen Dingen einschränken müssen, wo es nicht unbedingt schlimm ist. Wir sind es gewohnt immer überall warmes Wasser, Licht und so weiter zu haben. Das Leben wird ein bisschen einschränkender werden, aber man muss kreativ sein. Die Welt hat schon viele Kriege oder Krisen hinter sich gebracht und es geht weiter.
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El Leykauf, 22, Journalistin

El, wie geht es dir?

Ich finde die Frage generell immer ein bisschen schwierig, weil sie zu allgemein ist, aber an sich geht‘s mir gut. Ich habe ein Dach über dem Kopf. Ich habe einen Job, der mir Spaß macht. Ich habe tolle Menschen um mich herum. So all in all geht‘s mir eigentlich sehr gut. 

Wie würdest du sagen, hast du persönlich die letzten zweieinhalb Jahre empfunden?

Die letzten zweieinhalb Jahre waren irgendwie ja auch Alltag. Man hat sich irgendwie damit zurechtgefunden. Ich hatte ab und zu Momente, in denen ich mir dachte „Hört das überhaupt auf?“, zu der Zeit als das mit der Ausgangssperre war. Deswegen ging es mir die letzten zwei Jahre gemischt. Ich habe zu dem Zeitpunkt angefangen zu arbeiten und durfte glücklicherweise wegen der Arbeit verreisen. Das habe ich umso mehr geschätzt. Aber auf der anderen Seite sind natürlich auch irgendwo ein, zwei Jahre meiner Jugend weggefallen. Am Anfang der Pandemie war ich 20. Aber es war auch irgendwie okay, weil man hat trotzdem seine Wege gefunden, um einfach das Beste draus zu machen. 

Was hält dich positiv und mental gesund? 

Ich glaube, es hilft mir, mich auf alles zu konzentrieren, was ich innerhalb meiner Bubble machen kann. Ich kann nicht als einzelne Person den Krieg stoppen, kann aber irgendwie versuchen Awareness zu schaffen und darüber zu reden. Das hilft mir auf jeden Fall. Mich abzulenken hilft mir auch. Ich habe eine vierjährige Tochter, das geht dann ganz gut. Da kann man sich auf ein Kinderlevel begeben. „Da ist ein Schmetterling, yay!“, darauf kann ich mich immer ganz gut einlassen. Und lange in der Badewanne liegen und einfach nichts tun. Oder Kaffee trinken, mit anderen reden, mich austauschen und malen und zeichnen. Das gibt mir Ruhe.

Wie blickst du in die Zukunft? 

Ich blicke gemischt in die Zukunft. Gerade wegen des Klimawandels. Im Jahr 2050 erwarten wir Millionen Klimaflüchtlinge. 2050 bin ich 50 Jahre alt, da habe ich ein bisschen Schiss vor. Meine Tochter ist dann 30. Das Feeling, dass auf jeden Fall was kommen wird, ist da. Aber bis es zu dem Punkt kommt, an dem man wirklich etwas merkt, würde ich das Beste daraus machen und so blicke ich in die Zukunft. 
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Norman Roßberg, 39, Portalmanager bei der npg, App Owner & Patient Relation bei yeswecan!cer

Norman, wie geht es dir?

Mir geht‘s sehr gut. Wenn man so eine Diagnose hat wie ich und noch am Leben ist und sich verhältnismäßig gut fühlt, dann geht‘s einem gut. Aktuell geht‘s mir Tippi, seitdem ich die Klinik damals verlassen habe und das ohne Schmerztabletten. 

Wie waren für dich persönlich die letzten zweieinhalb Jahre rückblickend? 

Als Teil der Hochrisikogruppe habe ich mich extrem zurückgenommen und war vorsichtig. Ich würde sagen, dass ich im Frühjahr diesen Jahres an meine Grenze geraten bin, da hat es mir gereicht. Ich war urlaubsreif, wie noch nie. Irgendwie sind wir dann nach Sylt gefahren. Und jetzt nach dem Sommerurlaub würde ich sagen, dass man sich wieder allgemein ein bisschen mehr dahin bewegt, wo man vorher war. Klar weiß man jetzt nicht, wie das mit der nächsten Winterwelle wird, aber man ist wieder ein bisschen unternehmungslustiger.

Was sind für dich die Dinge, die dich mental gesund und positiv halten?

Ich war schon vor der Diagnose extrem dankbar und jetzt umso mehr. Aber es gibt viele Dinge, die ich seit der Diagnose krasser wahrnehme. Ich kann mich nicht erinnern, als wir früher in den Bergen wandern waren, dass mir die Flora und Fauna so bewusst aufgefallen ist, dass ich an jeder Blume stehen geblieben bin und gesagt habe: „Wie schön ist die!“ Aber das gibt mir heute Kraft. Eigentlich jeden Tag lebend aufzuwachen. Ich habe nicht immer nur gute Laune, aber ich bin ein sehr reflektierter Mensch und zu 99 % ist bei mir irgendwie schon happy life.

Wie blickst du in die Zukunft?

Ich hätte nie gedacht, dass wir uns in unserer Generation mal über solche Sachen Gedanken machen müssen, wie Energie, Strom und so weiter aber trotzdem gucke ich sehr positiv in die Zukunft. Ich habe damals im Krankenhaus gesagt, dass ich 40 Jahre alt werden will. Nächstes Jahr werde ich 40. Jetzt ist mein nächstes Ziel: „Ich will 50 werden!“ Es wird Einschränkung geben oder vielleicht auch Veränderungen. Vielleicht tut es der Menschheit allgemein gut, sich über gewisse Sachen Gedanken zu machen. Ich glaube, in der Zeit von Corona haben viele schon gelernt, zu verzichten. Die Einen mehr, die Anderen weniger. Oder die Einen geduldiger, die Anderen weniger. Ich dachte mir damals schon: „Hey, ihr beschwert euch?“ Denn wenn du oben in der Klinik liegst und isoliert bist, dann ist das eine ganz andere Isolation als die, die du zu Anfang in der Pandemie erlebt hast. Du hast zu Hause dein eigenes Scheißhaus. Du kannst über den Fernseher bestimmen. Du kannst von A nach B laufen. Du kannst selbst bestimmen, was du kochst. Darüber machen sich die Wenigsten Gedanken, die die Pandemie verharmlosen oder die Impfung verweigern. Aber jetzt bin ich abgekommen … Ich gucke trotz allem positiv in die Zukunft. Wir werden alle aus dieser Situation mit einem blauen Auge davonkommen. Vielleicht macht es uns Weihnachten besinnlicher. Es wissen die Wenigsten zu schätzen, was sie am Leben haben.
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